Adventkalender 2018

Adventkalender 2018

Adventkalender 2018      

Mein Adventkalender wächst mir schon das ganze Jahr entgegen, – in Form von Bildern des Himmels über mir. Manchmal strahlend und klar, manchmal verborgen, verhüllt, mit den unterschiedlichsten Wolken geschmückt oder von einer Wolkenfülle verstellt, doch immer ist er dahinter blau. Und da.
Da – wie der Urgrund meines Seins.

Mit täglichen Gedanken möchte ich mich diesem Himmel über mir und in mir nähern. Ich freue mich, wenn du mitgehst!

1. Dezember

Rosige Zeiten
Meiner Lieblingsautorin Susanne Niemeyer ist es gelungen, meinen großen Sack voller Pflichtgefühle, Termindruck und gemusster und gewollter Arbeit in der Adventzeit in rosa Wölkchen zu verwandeln.
Die Ursprungsgeschichte, der wir unsere vermeintlich besinnliche Adventzeit verdanken, war nämlich alles andere als besinnlich. Sie nennt sie sogar eine „Stressgeschichte par excellence: Unterwegs mit Sack und Pack, zwischendurch eben mal ein Kind zur Welt bringen und selbst danach keine Zeit zum Ausruhen haben. Keine ruhigen Tage, in denen die junge Familie entspannt Cocooning zelebrieren kann. Sondern Flucht nach Ägypten…“
Na, wenn da mein Leben nicht ein Ausbund an rosigen Zeiten ist?
Ich werde im Advent rosa Wölkchen sammeln, ich weiß, es werden viele, aber das ist auch schön. Der Sack hätte mich erdrückt. Die Wölkchen erheben mich.
Dir auch rosige Zeiten in diesem Advent!

2. Dezember

Nicht das schwarze Schaf ist anders, die weißen sind alle gleich!

Der Advent wird in unserem Ort von vielen singenden Kindern eingeläutet. Wie schön!
Beim Zuhören hat man sogleich ein sehr homogenes Bild vor Augen: keine Einzelpersonen, keine Namen, – einfach „Kinder“.
Ich möchte ganz provokant sagen, es ist fast wie das Bild einer Herde Schafe. Sie unterscheiden sich in diesem Moment nicht wesentlich voneinander. Nur die Lehrerin weiß: Da singen weiße Schafe, graue, bestimmt auch ein schwarzes, und wenn es auch noch so ungewöhnlich klingt, es gibt auch bunte. Und alle bündelt sie mit den frischen Adventliedern.
Ein sehr motivierendes Bild!
Mir fällt dazu nämlich ein, wenn ich mich manchmal „anders“ fühle, – wie ein schwarzes oder buntes Schaf in einer weißen Herde, sollte ich mir keine Gedanken darüber machen. Das tun schon die anderen. Ich habe meinen Platz gefunden, das genügt vollkommen.

3. Dezember

Auf dem Weg nach Weihnachten

„Auf dem Weg nach Weihnachten sind wir nicht allein…“ so beginnt ein Adventlied von Kurt Mikula mit einem sehr schönen Text.

Für uns sind diese Tage in ihren Anforderungen äußerlich kaum von anderen zu unterscheiden, wir leben unseren Alltag. Diese Liedzeile teilt uns jedoch mit, dass es auch einen inneren Weg gibt, wir gehen ja „nach Weihnachten“.

Der Künstler spricht nicht von der Strecke Nazareth – Bethlehem, die ich mir übrigens zur damaligen Zeit mit den 130 zu bewältigenden Kilometern höchst beschwerlich vorstelle. Er spricht vom Weg „nach Weihnachten“, auf dem man vielleicht „Hirten“ oder „Weise“, vielleicht Menschen ohne Hoffnung, vielleicht Menschen voller Sehnsucht trifft.
Das steckt in uns selber doch auch alles drin?
Advent als innere Wegstrecke: Gedanken und Gefühle legen diesen Weg zurück, und am Ende werden wir uns selbst ein Stück weit näher gekommen sein. Das wünsche ich mir.

4. Dezember – Barbaratag

Um 300 soll die schöne junge Christin Barbara in Kleinasien gelebt haben. Da sie sich weder durch Drohungen noch durch Gewalt von diesem noch recht jungen Glauben abbringen ließ, wurde sie von ihrem Vater in einen Turm gesperrt. Man kennt die Geschichte vom kahlen Zweig, der auf dem Weg dorthin an ihrem Kleid hängen geblieben war, und der im Gefängnis zu blühen begann.
Ich möchte den Blick auf den Turm werfen. Er war bestimmt alles andere als ein Wohnzimmer. Wahrscheinlich eng, dunkel, feucht, – doch Barbara war auch durch diese Erfahrung nicht von ihrer Überzeugung abzubringen.

Ich denke mir, ich lebe auch in einem Turm, es ist allerdings ein Elfenbeinturm. Und dieser ist sehr wohl ein Wohnzimmer. Ich lebe glücklich, freue mich an einer erfüllenden Arbeit, bin zufrieden, – es könnte mir nicht besser gehen. Ich brauche keine Wahrheiten zu verteidigen, die mein Leben in Gefahr bringen. Aber ich weiß, dass andere dies sehr wohl tun, für sich, ihre Lieben, ihr Dorf, ihr Land, ihren Glauben. Mit dem ganzen Einsatz ihres Lebens, und nichts wäre dringender nötig als die Hilfe von Menschen, die nur ihre Stimme erheben müssten.
Doch ich sitze in meinem Turm. Manchmal sticht mich die Feigheit wie ein Kaktus. Die Feigheit, die Trägheit, nicht mehr zu tun, mich nicht lauter zu melden, die Hände und Füße hier zu lassen, meinen Geist ruhig zu stellen – obwohl jede Stimme zählt für alle, die keine haben auf dieser kleinen, blauen, verwundbaren, wunderbaren Erde.

Dabei zählt dies bestimmt zu meinen größten Wünschen, nämlich für alle Kinder, jetzt und immer: eine friedliche, blaue, wunderbare und gesunde Welt.
Kein Krieg hat sich je gelohnt.
Kein Streit, der nicht befriedet wird, keine Wahrheit, die keine andere neben sich erträgt, ist dem Leben dienlich.
Barbara, du solltest nicht umsonst in deinem Turm gebetet haben!

Ach ja, im Grunde bin ich ein sehr optimistischer Mensch…

5. Dezember

Allweil schön ist nicht schön

An diesem Tag wird es in vielen Gemeinden ein Höllenspektakel geben, einen Höllenlärm, Feuer und Rauch, Kettengerassel, und wilde Höllenfürsten setzen sich spektakulär in Szene. Da vergisst man ja beinahe, dass sie ursprünglich ein untergeordnetes Anhängsel des Heiligen Nikolaus waren, einer an und für sich imposanten Lichtgestalt.

Das ist der Zeitgeist, wird gesagt, der bringt solche „Auswüchse“ mit sich.

Nein, das glaube ich nicht. Ich denke, die „Tuifl-Umzüge“ sind die Kontrastfarbe zu unserem Leben und haben sehr wohl ihre Berechtigung. Je besser es uns geht, umso grässlicher dürfen die Fratzen sein, denen wir auf Abstand begegnen, um erinnert zu werden: Unser Leben könnte ja auch ganz anders sein. Das Höllische, Furchteinflößende ist ja keine neue Erfindung, das hat es immer schon gegeben. Geht es Menschen in bestimmten Zeiten jedoch schlecht, dann brauchen sie die wahren Nikoläuse, die mit ihrer Lebensweise ein Lichtstreif am Horizont sind.

Wir bemerken die Stille erst, wenn der Lärm plötzlich verebbt. Wir schätzen die Gesundheit besonders, wenn sie abhanden kommt.
Immer schön, das wäre paradiesisch, möchte man meinen. Aber nicht für uns Erdenmenschen, da fehlt uns noch der Heiligenschein. Wir würden das Schöne schon sehr bald völlig normal empfinden. Und was bliebe dann noch an wahren Freuden? Nein, allweil schön ist nicht schön.

Heute darf es laut, wild, ungebärdig zugehen, morgen sieht die Welt wieder anders aus…

6. Dezember – Nikolaustag

… muss man es sich leicht machen

Manchmal springt mich ein Satz an, da werfe ich dann alle geplanten Worte über den Haufen, weil genau darin eine Gedankenquelle liegt, die ich nicht ungenützt entfleuchen lassen möchte.
„Will man Schweres bewältigen, muss man es sich leicht machen.“ (Bertold Brecht)

Das passt schon einmal hervorragend zum Nikolaustag: Der fromme Mann half Menschen in Not, – wir haben das verinnerlichte Bild seiner Säcke schleppenden Knechte vor Augen, diese Säcke werden mit jeder verteilten Gabe leichter. Mein Wolkenbild zeigt doch einen wunderbaren, duftig leichten Rauschebart…

In einem Advent, wie man ihn sehr häufig erlebt, andächtig und still, an das Gewissen appellierend, sehr traditionell und gefühlsschwanger, kann man es sich anderweitig „leicht“ machen. In kleinen alltäglichen Begegnungen mit einem Lächeln, – trotz Stress. Mit kleinen Hilfestellungen, – trotz Zeitmangel. Vor allem aber mit inneren Bildern!
Ich denke an Julia Engelmanns Konfetti und werfe nicht nur einmal am Tag welche fröhlich in die Luft. In Gedanken! Ich sitze am Gipfelkreuz und lasse mir den Wind um die Nase streichen, und das vor dem PC. Und wunderbare, weiche Wattewolken ziehen an mir vorbei…
Alles ist möglich, man muss es sich selbst leicht machen, niemand anderer ist dafür zuständig.

7. Dezember

Komplimente

Vor Jahren bekam ich eine kleine weiße Figur geschenkt: David, ein Schaf auf den Schultern tragend, im Hirtengewand. Diese kleine Statue war mir auf den ersten Blick lieb und teuer. Die Schlichtheit, die Nähe, das Lebendige – alles in dieser Hirtenfigur ausgedrückt.
Die Hirten waren vor 2000 Jahren jene Menschen, die in der Gesellschaft am wenigsten gewürdigt wurden, obwohl jeder, der etwas Ansehen genoss, dann zum Paschafest sein Opferlamm brauchte. Ohne Hirten – keine Schafherden – keine Opferlämmer …
Dieses Ungleichgewicht wird in der Weihnachtsgeschichte zurechtgerückt. Die Hirten sehen als Erste den Stern und – noch viel wichtiger –sie trauen der Geschichte. Sie sind die ersten Zeugen, sie werden „erhoben“ und ihre Würde wird sichtbar, die ihnen allein durch ihr Menschsein, aber auch durch ihre Arbeit zusteht.

Ich bleibe bei diesem Wort Würde. Moderne Gesellschaften sind nicht besser. Im 2000 Jahre währenden christlichen Abendland gibt es immer noch so viele Berufe, die wenig bis gar nicht gewürdigt werden, obwohl eine funktionierende Gesellschaft ohne sie nicht denkbar wäre. Und viel zu viele prekäre Arbeitsverhältnisse (niedriger Lohn, der für eine Existenzsicherung nicht ausreicht)! Diese „Hirten“ der heutigen Zeit brauchen den Stern, die Weihnachtsbotschaft, immer wieder, aktuell und mit zurechtgerückter Würde!

Kann man diesen Engelsgesang üben, der die Hirten zu ganz besonderen Menschen erhob? Ich denke schon. Ganz im Kleinen mit ehrlichen Komplimenten. Denn ein Kompliment ist eine wohlwollende Äußerung, die sowohl Eigenschaften als auch Leistungen würdigt.

Heute erhielt ich ein ganz originelles schriftliches Kompliment von einem 10-jährigen Kind: Du kannst so gut erklehren. Genau so. Schön, wenn mein Beruf schon in einem Wort gedeutet ist: Lehrer – erk-lehren.
Und wie adressiert dieses Kind die Komplimentkarte für den Chef des Hauses? „Herr Tiereckdohr“. Herr Duden würde die Augen rollen. Ich amüsiere mich: Eine Schule ist nichts anderes als Gottes bunter Tiergarten, alle Charaktere kommen vor! Da braucht es, zumindest in einer Ecke, einen mit einem offenen Ohr für alle, einen „Tier-eck-d-ohr“.

8. Dezember

Duftendes Wochenende

Ich freue mich schon seit Tagen auf dieses Wochenende: Ich werde backen! Und der Duft von Zelten und Weihnachtsbäckerei wird durch das ganze Haus ziehen, – und mir wird es bestens gehen. Auch meine Lieben genießen diese Düfte und „schnurren“, wenn sie die warme Küche betreten. Weihnachtsgerüche wecken so viel Stimmung, Erinnerungen, Wohlgefühl, – es ist, als würde man in gewisser Weise ganz: von der Kindheit bis heute – alles in einem Duft und einem Gefühl.

Das Zitat „Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht“ wird auch so übersetzt: „Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab.“
Dieses Zitat stammt von Marc Aurel, der vor fast 2000 Jahren das römische Reich beherrschte.
Die Macht der Gedanken… Ja, da ist sehr viel dran.
Heute möchte ich diesen Satz ergänzen. Das Glück hängt auch ab von köstlichen Gerüchen, die glückliche Erinnerungen hervorrufen und aufs Neue bewirken, von einer guten Mahlzeit, einem Bett, in dem man sich geborgen fühlt, einer Fröhlichkeit im Herzen, die man sich über die Jahre bewahrt, und dem guten, wohlwollenden Leben mit den Menschen, denen man sich tief verbunden fühlt.
Und alles zusammen ist Advent und Weihnachten, wie es nicht schöner sein kann.

9. Dezember

Muttertag

Nein, am Feiertag Maria Empfängnis habe ich mich nicht ins Einkaufsgewimmel gestürzt. Ich widmete mich der Weihnachtsbäckerei, – und dabei war mein Kopf herrlich frei. „Es denkt sich“ nenne ich diese Phasen.
Nun ja, es dachte sich zum Feiertag.

Mit diesem Festtag wird ja der Lebensbeginn Marias vom ersten Lebensfunken an in den Mittelpunkt gestellt.
Die Geschichte dieses Festes ist schon eigenartig. Sie entspricht einem „rückwärtigen“ Denken: Da Maria als Gottesgebärerin verehrt wird, muss sie dazu auch würdig sein. Nicht nur von Jesu Geburt an, nicht nur von ihrer eigenen Geburt an (8. September – Maria Geburt, wird seit dem 5. Jh. gefeiert), sie muss schon vom ersten Augenblick an als absolute Ausnahme gedacht werden. Dieser Tag wurde im 11.Jh. erstmals in England begangen, ist jedoch erst seit 1708 für die ganze katholische Kirche verbindlich.
Maria als Kind von Anna und Joachim wird vom Zeitpunkt der Zeugung an, einem zutiefst menschlichen Akt, hervorgehoben als Frau mit der göttlichen Eigenschaft ohne Sünde zu sein. Dies schien der Kirche so wichtig zu sein, dass sie, die sonst kaum positive Worte zu Körperlichkeit verliert, sich eine Empfängnis vorstellen kann. „Ohne Erbsünde“ wird Maria nahe ans Göttliche gerückt. Und somit „darf“ Maria als Mensch die Mutter Jesu werden.
Ja, damit Maria (Jahrhunderte später) das wird, was sie schon war: eine Mutter, ganz und gar, durch und durch, in jedem Augenblick, das heißt eine göttliche Mutter. Sind wir Mütter das nicht auch?

Das wäre die Chance gewesen diesen Tag zum Hochfest aller Mütter zu erheben, – zu einem kirchlichen Muttertag sozusagen.

Nächstes Jahr werde ich am 8.12. , diesem Feiertag, daran denken und meiner Mutter danken, dass sie mich gewollt, geliebt, geboren hat. Und jetzt rufe ich sie an…

10. Dezember

Ich seh, ich seh, was du nicht siehst…

Ein Kinderspiel …
Wie ist das im Erwachsenenleben?

Wenn ich etwas „sehe“ (danke Nicölchen für das schöne Bild!), mich etwas bewegt oder gar verändert hat, was ich nicht missen möchte, ist diese Veränderung mein Wachsen in den Himmel hinein. Oder in die Tiefe.
Wer begleitet mich?
Das kann nur jemand sein, der davon weiß. Also muss ich darüber sprechen.
Wenn jemand etwas „sieht“, was dem anderen noch verborgen ist, gibt es zwei Möglichkeiten: Der Zuhörer will mehr davon erfahren, oder er tut dies als „Gscheitnäserei“ ab und wendet sich ab.

Über eine Erfahrung, ein Aha-Erlebnis zu sprechen, das ist immer irgendwie eine Überrumpelung des Zuhörers.
Ich finde, Lesen ist nie eine Überrumpelung, denn der Leser hat die Freiheit zu lesen / nicht zu lesen, zu überfliegen / sich zu vertiefen, zu verwerfen / anzunehmen. Ich lese fürs Leben gern!
In diesem Zusammenhang fallen mir sinngemäß die Worte von Reinhold Stecher ein:
„Das Leben kann nicht verlängert werden, aber du kannst es vertiefen.“

11. Dezember

86 400

Es gibt so viele Sinnsprüche, die mir nahelegen, meine Zeit gut zu nützen, sinnstiftend zu gestalten, jeden Tag so zu leben, als wäre es mein letzter…
Und unterschwellig schwingt immer mit: tu etwas, mach etwas, plane, hab Ziele, gestalte…

Ach herrje, wir sind schon wirklich Kinder einer „dressierten“ Leistungsgesellschaft: fleißig, pünktlich, strebsam, verlässlich… Die Reihe ließe sich je nach Rolle, die wir gerade einnehmen, ziemlich lange weiterführen. Ja, so sind wir. Immerhin haben wir jeden Tag 86 400 Sekunden zur Verfügung, also machen wir etwas daraus!

Geht es wirklich darum? Wo bleibt die Muße (freie, ungestaltete Zeit)?
Haben wir die Muße, einfach nur zu warten, was entsteht? Zu sehen, wie etwas wächst? Zu hören, wie sich etwas entwickelt?
Wer Muße hat, hat innere Ruhe. Und manchmal küsst dich dann die Muse, eine Göttin der Kunst, und Wunderbares kann entstehen. Etwas, das mit dem Druck, möglichst viele der 86 400 Sekunden „nützlich“ zu verbringen, bestimmt nicht entstanden wäre.

Advent: Warten auf die Ankunft des Heils, immer wieder neu. Obwohl wir genau wissen, wie es abläuft.
Trotzdem warten.
Mit Muße.
Jeden Tag ein paar Sekunden mehr.
Ganz bewusst.

12. Dezember

Wie die Vögel im Wind

Blauer Himmel, klare, frische Luft, strahlende Landschaft, – meine Vorfreude wächst auf solche Tage hin, und wie!

Die Vorfreude ist schon von ganz besonderer Beschaffenheit, sie ist sehr menschlich. Tiere kennen sie nicht. Wir können uns ein Bild von der Zukunft machen, ja, regelrecht ausmalen. Und in diesem imaginären Moment empfinden wir die Stimmung, die wir zu erwarten hoffen, schon im Voraus. Wenn wir uns etwas Zukünftiges in den schönsten Farben ausmalen, tun wir uns also etwas Gutes und hellen den Tag auf, der uns diese Farben im Moment vielleicht nicht erlaubt.

Heute ist dieses Bild in mir: Mich treiben lassen im Wind, wie die Rabenpaare, die hoch in den Lüften ihren Tanz beschreiben.
Die Weihnachtstage rücken näher und rund um Weihnachten viele Freuden, – ja auch dieses mich treiben lassen wie die Vögel im Wind!

Und bis dahin male ich mir Vorfreude-Bilder…

13. Dezember

Ha Vinh Tho

Ha Vinh Tho, das ist der Name des Glücksministers in Bhutan, einem kleinen Land zwischen Indien und China.
Glücksminister, das klingt gut!
Das Glück der Einwohner hat in diesem Land einen besonderen Wert, ein hohes Bruttonationalglück wird angestrebt, dann geht es dem Land gut. Nein, nicht das Bruttoinlandsprodukt, wie wir es gewöhnt sind zu hören als Maßstab des Wohlstands, – dort misst das Bruttonationalglück das Wohl der Menschen (nicht den Wohlstand). In Schulen, Kursen und Fortbildungen wird „Glück“ allen in Bhutan gelehrt, denn Glück sei eine Fähigkeit.

Bei uns gibt es für zwei grundsätzlich verschiedene Dinge dasselbe Wort:
Glück als willkommener Zufall, als positive Wendung im Leben, Glück als ein Moment der Überraschung: „Da hab‘ ich Glück gehabt!“

Glück als Zustand wird am ehesten deutlich, wenn jemand sagt: „Ich bin glücklich!“
Um dieses Glück geht es dem Glücksminister. Es werde erreicht, wenn man sich in Gelassenheit, Achtsamkeit, Mitgefühl, Verantwortung für sich, die Mitmenschen und die Umwelt übe. Diese „Arbeit am Glück“, besser diese „Glücksbringer“ sind bei uns meist eine sehr private Angelegenheit.

Der Glücksminister erklärt, dass jene am meisten „Glück“ haben, die in Beziehungen „investieren“ (Partner, Familie, Freunde) und diese Beziehungen pflegen.
In Zeiten wie Advent, Weihnachten, Urlaub… ja, da denken wir daran, da wollen wir ganz bewusst Glück schenken. Glück in Form von geschenkter Zeit, von Zuwendung, offenen Ohren…
Viel Freude und Glück dabei!

14.Dezember

Musik in meinen Ohren

Unsere Sinne sind die Fenster zur Umwelt. Wir erfahren, lernen kennen, werden vertraut, lieben.
Wie sonst sollte etwas in unsere Seele fallen, wenn nicht über die Sinne?

Alle Sinne sind angesprochen in der wunderschönen Weihnachtsgeschichte:
Wir sehen den Stern.
Wir hören die Engel ihr Halleluja singen.
Wir fühlen die Kälte am Feld und die Wärme im Stall.
Wir riechen Heu und Stroh und die vertraute Körperwärme der Tiere.
Wir schmecken Myrre und Weihrauch in der Luft.
Wir fühlen die Zärtlichkeit der jungen Familie.
Alles für uns.

Wir erleben die Weihnachtsgeschichte jedes Jahr neu.
In kleinen Mosaiksteinchen erschließt sich uns die Tiefe dieser Geschichte, immer wieder anders.
Diesmal über die Musik:
Die Engel sangen Halleluja. Wir singen heuer, um dieses Fenster der Sinne für andere zu erschließen und machen uns selbst dabei ein Geschenk:
„Siehst du, was ich sehe?
Hörst du, was ich höre?
Weißt du, was ich weiß?
Höre, was ich dir erzähle, er bringt uns Güte und Licht.“
(„Do you hear what I hear?“ von Noel Regney)

Solch ein wunderschönes Lied ist Musik in meinen Ohren, ich nehme es mit in meinen Tag und lasse mich tragen…

15. Dezember

Humus

Frost, Eistage. Jetzt ist wirklich Winter eingekehrt.
Ich denke an die Blumenzwiebel, die ich im Spätherbst noch versenkt habe. Sie werden den Winter überstehen, auch wenn es jetzt bei dieser Kälte schwer vorstellbar ist.
Eine liebe Bekannte hat mir vor gar nicht langer Zeit das Bild einer verfrühten Christrose geschickt und hinter unserem Haus hat sich eine blühende Schlüsselblume wahrscheinlich in der Jahreszeit geirrt.
Die Ausreißer gibt es immer und überall. Solange sie Ausreißer bleiben, möchte ich mich nicht sorgen. Was auf höchster Ebene von den immer häufiger werdenden, dramatischen Ausreißern gehalten wird, veranlasst schon zur Sorge: ein Klimaabkommen mit Minimalkonsens. Das ist gerade so, als würde ich meine Blumenzwiebel im Herbst auf der Erde verstreuen. Irgendwie werden sie den eisigen Winter schon ohne schützende Hülle Humus überstehen, ansonsten werden sie wohl schauen, wie sie weiterkommen, – sprich in der Erde verkriechen.
Was für ein Denken!

Weihnachten ist Humus für unseren Glauben.
In uns schlummert der Kinderglaube, der einst war und der sich immer wieder aufmacht „erwachsen“ zu werden. Glauben heißt wachsen, sich neu ausrichten nach dem leitenden Stern, mitwachsen mit diesem schutzbedürftigen Kindlein zum erwachsenen Jesus, der die Welt benannte, wie sie ist, der den Finger in die Wunden seiner Zeit legte und dies auch von Thomas forderte, – als Zeichen, daran zu glauben, darauf zu vertrauen, was alles möglich ist.
In jedem Jahr eine neue Chance, ein neuer Anfang, um Antworten zu suchen und zu finden, um Verantwortung zu übernehmen und auch tragen zu können.

Wie sehr wünsche ich diese Art Weihnachten all jenen, die zu wissen glauben, was gut ist für die Welt!

16. Dezember

Gaudete!

So wird der 3. Adventsonntag genannt: Freut euch!
Gaudete in Domino semper! (Phil 4,4) Freut euch im Herrn alle Zeit!

Ich wusste bisher nicht, dass der Name für den 3. Adventsonntag den ersten Worten des Eingangsliedes entspricht, das früher traditionell an diesem Sonntag gesungen wurde.

Also ein Aufruf, die Freude ganz bewusst in den Vordergrund zu stellen.
Egal, wie es uns gerade geht, – den Blick auf die Freude zu richten, schafft schon Freude. Dass dies wirklich gelingt, ist durch die Wissenschaft bewiesen: Schon ein bewusstes Lächeln hebt die Stimmung.
Gut soll es unserer Seele gehen, und diese innere Freude soll unabhängig von äußeren Bedingungen wirken. Freude als Lebenselixier.
Ich denke, ein fröhliches Herz, ein frohes Gemüt sind eine Möglichkeit, sich für das Leben an sich dankbar zu erweisen. Dass ich hier sitze, atme, denke, fühle, lebe ist das größte Geschenk, das mir gegeben ist. Da sollte ich nicht fröhlich sein? Gaudete!

17. Dezember

Geheimnis

glücklich
schwarze Haare
liebe römische Dinge
liebe insgeheim leckeren Lebkuchen
?

Dieses „Elfchen“ (Gedicht, bestehend aus 11 Wörtern verteilt auf 5 Zeilen) schrieb ein 10-jähriger Junge über sich, als Rätsel. Er lüftet einige Geheimnisse, – ob ihn das Kind, das von ihm bewichtelt wurde, daran erkennen kann?
Eines ist sicher: Er hätte nicht schöner ausdrücken können, wie er sich fühlt. Ein glücklicher Junge voller Geheimnisse.

Man weiß wenig über die Geschichte der Heiligen Familie, es wird zwar erwähnt, dass nach Jesus, dem Erstgeborenen, noch 4 Brüder und auch Schwestern zur Welt kamen und sie als Handwerkerfamilie in Nazareth lebten. Was man aus Schriften jedoch erfährt und erschließen kann, sind einige Ausnahmesituationen und wie Maria, Josef und Jesus sich verhielten. Das beginnt mit der Verkündigung: Maria weiß nicht, wie ihr geschieht. Sie ist schwanger, Josef weiß nicht, wie dieses Problem zu lösen ist, er handelt jedoch nicht voreilig, sondern achtsam. Er schläft darüber.
Scheint eine Situation restlos verfahren, heißt es auch heute noch: Schlaf darüber, morgen sieht die Welt wieder anders aus. Im Traum lösen sich die Knoten. Immer wieder erfährt Josef, dass ihm durch sein achtsames, respektvolles Verhalten Maria gegenüber die Lösung „zufliegt“. Maria ist ein Geheimnis für ihn. Er vertraut ihr, so wie sie ihm vertraut und ihn hochschwanger in die Stadt seiner Väter, die Stadt Davids, begleitet.
Wir kennen auch die Geschichte, als die Familie in Zeiten ohne Handy den 12-Jährigen verliert. Kein Anzeichen von schlechtem Gewissen bei dem Jungen, er ist dort, wo er glaubt, sein zu müssen. Die Eltern erkennen, dass hinter diesem Verhalten etwas steht, das sie noch nicht verstehen, ein Geheimnis.

Diese Geschichte kann uns viel erzählen. Der andere, auch wenn ich ihn noch so gut zu kennen glaube, ist einzigartig und bleibt letztlich immer ein Geheimnis. Nie werde ich alles verstehen und nicht jedes Geheimnis muss gelüftet werden. Manchmal genügt es, über einem „Geheimnis“ zu schlafen, und manchmal darf ich einfach vertrauen.

18. Dezember

Sterne

Sich heute noch von Sternen leiten lassen?

Nein, heute besitzt man ein Navi.
Früher hoben die Menschen noch ganz bewusst die Augen zum Sternenhimmel. In den endlosen Wüsten und auf den grenzenlosen Meeren wurden die Reisenden von Sternen sicher geführt. Wie die Weisen, die Sterndeuter, auf dem Weg zum Kind…
Ohne Sterne wäre man dem Untergang ausgeliefert gewesen. Der Nachthimmel mit seinen unermesslich vielen Sternen schenkte Sicherheit.

Wir können heute gar nicht mehr erahnen, wie nah den Menschen früher der Nachthimmel war.
Wir sehen ihn heutzutage durch unsere selbst verschuldete Lichtverschmutzung oft nicht einmal mehr. Wie schade!
Man muss sich schon ganz bestimmte Plätzchen suchen, damit man von dieser Tiefe und Unendlichkeit – wie auf dem Foto – ergriffen werden kann.
In so manchem klugen Satz erfährt man noch von der Bedeutung der Sterne, oft im übertragenen Sinn:

Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben: Sterne, Blumen und Kinder. Dante Alighieri

Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen. Carl Schurz

Freunde sind wie Sterne. Du kannst sie nicht immer sehen, aber du weißt, sie sind immer für dich da.

19. Dezember

SUB und SUN

Beim Aufräumen eben erfasste mich eine Unruhe, ich habe nämlich nicht nur einen SUB, sondern auch einen SUN, den ich in letzter Zeit ziemlich aufgetürmt habe.
Der SUB – Stapel ungelesener Bücher – erwartet mich geduldig. Einer ständigen Wellenbewegung unterworfen – mal wächst er, dann wieder schrumpft er – er macht mich jedoch immer glücklich. Schon ein Leben lang bin ich eine Leseratte und die Themen führen mich so gut wie überallhin (außer zu Krimis). Entspannung und Bereicherung pur!

Der SUN jedoch beunruhigt mich, der Stapel ungeordneter Notizen schreit nach Zuwendung (es gibt sogar mehrere davon, o je!). Da erdrücken Rezepte so manchen Aphorismus oder eine Literaturempfehlung, Heilpflanzenportraits liegen auf Künstlerportraits und politische und gesellschaftskritische Kommentare, die ich unbedingt noch einmal lesen möchte, warten zusammengefaltet auf der oft ausgezeichnete Rubrik „Meinung“, die ich manchmal aus der Tiroler Tageszeitung ausschneide. Lauter Texte, die mir wichtig sind, die ich vielleicht noch einmal brauchen könnte… Und das alles irgendwie zwischen Wochenzeitungen, Broschüren…
So, und wohin damit?

Wer kennt das nicht? Gibt es nicht in fast jeder Wohnung eine Ecke, wo sich Zeitungen, Prospekte, Notizen ansammeln? Vielleicht bräuchte nicht nur ich einen nützlichen Tipp…

Ich bin innerlich gern ein aufgeräumter Mensch, äußerlich gelingt mir das weit weniger gut. Wenn sich diese zwei spiegeln, wie man so sagt, dann müsste ich ziemlich oft hin- und hergerissen sein. (Ist das die Unruhe beim Anblick eines SUN?)

Das perfekte System kenne ich leider noch nicht (ich bezweifle, ob es das überhaupt gibt), also durchforste ich meine SUN immer wieder einmal und werde überrascht, dass sich manches ganz von selbst erledigt hat.
Und für den restlichen SUN werde ich auf Erleuchtung warten!

20. Dezember

Augenmenschen – Ohrenmenschen

Je älter ich werde, umso mehr zieht mich in den Bann, was in früheren Zeiten über ein Menschenleben hinaus geschaffen wurde. Ich besuche gerne Kirchen, Dome, Kathedralen und spüre förmlich, wie diese den Geist von vielen, vielen Menschen atmen, die an dem Bauwerk mitschufen, auch wenn sie selbst die Fertigstellung gar nicht erleben konnten.

Heute zählen vor allem Individualismus, Selbstverwirklichung und Selbstoptimierung – was auch immer das ist. Dieses „Ideal“ wird gefördert. Das Aufgehen in einem großen Ganzen ist heutzutage oft gar nicht mehr so leicht möglich, – vielleicht noch am ehesten in einem Ehrenamt. Zum Glück!
Für viele ist diese Denkweise aber auch gar nicht mehr erstrebenswert:
Am augenscheinlichsten, finde ich, ist dies in der Politik zu beobachten, ein Denken von Wahl zu Wahl macht ein langfristiges Planen schwierig oder gar unmöglich. Wir können nur hoffen, dass diese Tendenz zu „Ichlingen“ ein kurzfristiger Trend ist. Es geht nämlich um weit mehr als die Lebensgestaltung der Individuen, es geht um die Welt. Wir wollen in die Zukunft vertrauen, wir sollten in die Zukunft investieren und in eine langfristig funktionierende Gemeinschaft.

Ob man sich darüber früher Gedanken gemacht hat? Ich denke nicht, es war vielleicht auch gar nicht naheliegend. Vieles dauerte. Dauerte lange, oft sogar länger als ein Menschenleben. Mit den Mitteln, die zur Verfügung standen und der kreativen Schaffenskraft genauso wie der Muskelkraft – und doch wurde es fertig. Die vielen Kirchen sind Beweis genug. Jede Kirche ist anders, überall ist die Handschrift der Menschen spürbar, die am Schaffen beteiligt waren.

Wir sind Augenmenschen. In der Kultur des Morgenlandes sind Geschichten von bleibendem Wert. Dieser Kultur des mündlichen Weitergebens verdanken wir die biblischen Geschichten mit den vielen Weisheiten, die in unsere heutige Sprache übertragen immer noch ihre Gültigkeit haben. Die tröstliche, berührende Geschichte, dass Gott uns immer und immer wieder einen Neuanfang anbietet, manifestiert sich in der Geburtsgeschichte Jesu. In unserer Kultur sind daraus die vielen Weihnachtskrippen in verschiedenster Interpretation entstanden. Wie schön!

21. Dezember

Wintersonnenwende

Zwischen Tag und Nacht
zwischen hell und dunkel
Wintersonnenwende

Wintersonnenwende auch in uns
immer wenn uns danach ist
wir sind nie nur
dunkel nie nur hell

in jedem liegt die Möglichkeit
sich dem Licht zuzuwenden
Jeder kann dazu beitragen
dass es heller wird

22. Dezember

Wann kommst du an?

Wann kommst du an? … Ich hole dich am Flughafen / am Bahnhof ab!“

Es ist ganz selbstverständlich, die Person, die ich vielleicht schon sehnsüchtig erwarte, pünktlich abzuholen. Ich teile mir meine Zeit gut ein, bin vorbereitet, plane sogar Eventualitäten wie einen Stau ein, um ja nicht zu spät zu kommen. Um nicht zu spät anzukommen.

Advent – Ankunft.
Warten auf die Ankunft.

Ich glaube, das Warten auf die Ankunft ist nur die Hälfte der Geschichte:
Um die Ankunft zu erleben, müssen wir selbst auch rechtzeitig ankommen…

23. Dezember

Ein Tag mit Goldrand

Solch einen Tag wünsche ich dir!

O, ja, ich weiß, dieser Goldrand ist bei vielen sehr schmal, liegt verborgen unter einer alten Schicht Dunkelgrau oder ist gar abgebröckelt.
Vielleicht lässt sich in Hinsicht auf Weihnachten noch ein bisschen Goldrand polieren:
gute Erinnerungen beleben,
ein Miteinander suchen,
etwas Positives planen,
ins Gespräch kommen,
ein kleines symbolisches Geschenk vorbereiten,
ein Lob aussprechen,
einen herzlichen Dank anbringen,
einen Trost spenden…

Ja, das wünsche ich dir:
diesen Tag mit Goldrand und die Nacht mit einem verlässlichen Stern.

24. Dezember

Heiliger Abend

Gott ist nicht fern,
Gott ist nicht oben,
Gott ist.

Als sichtbares Zeichen, ganz in unseren Händen, tief in unserem Herzen, liegt das Kind in der Krippe.
Für alle, für die einfachen Menschen, für Könige, für dich, für mich.
Anvertraut.

Wir sind unendlich geliebt, um unendlich zu lieben.
Wir antworten mit allem, was in uns Weihnachten bedeutet, und mit dem Lied von der stillen und heiligen Nacht.

Frohe und gesegnete Weihnachten!

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