Rosa Zorn

Rosa Zorn

rosa zorn Zornestränen, viel zu wenig Zornestränen

 Das kleine Mädchen – ganz in Rosa – steht auf der Terrasse des Gasthauses und brüllt. Zornestränen brüllt das Kind.

„Die Kleine will wohl etwas ganz anderes“, schmunzeln wir. „Vielleicht ein Eis? Das hat sie hier im Sommer mit Sicherheit bekommen.“
Möglich. So klingt das Geschrei jedenfalls. Jetzt gibt es kein Eis, zumindest hier nicht in diesem Landgasthaus am zugefrorenen See. Der junge Vater streckt die Arme aus, das kleine Persönchen, eben noch ein Bündel Wille und Zorn, lässt sich hochheben und vergräbt das Gesicht am Kragen der väterlichen Winterjacke. Alles wird gut…

Diese kleine Situation, die ich mit meiner Lebensliebe amüsiert beobachtet habe, wirkt noch ein Weilchen nach –
Es war eine positive Stimmung in dem gesamten Geschehen, aber es hätte auch völlig anders sein können.

„Was willst du für Sorgen haben, du bist ja noch ein Kind…“
Gott sei Dank hört man diesen Spruch heutzutage kaum mehr. Kinder werden ernst genommen mit ihren Sorgen und Nöten, zumindest formal. Ob dieses Einsehen der Realität entspricht?

Ich glaube, „innen“ sieht die Situation für viele Kinder leider oft ganz anders aus.

Noch nie war es so einfach, eine Wunschfamilie zu planen.
Zugleich muss man feststellen, dass es noch nie so schwierig war, den Wunsch in eine tragfähige Zukunft von Dauer hinüber zu retten.
Die Überforderung junger Eltern, die Ungeduld, die Enttäuschung darüber, dass alles ganz anders ist als angenommen, entladen sich über den Häuptern der Kinder, die nicht wissen, was und wie ihnen geschieht.

Junges Paar, jetzt mit Kind: Die völlig veränderte Situation bricht in eine allzu heile Konsumwelt ein, die auf Knopfdruck funktioniert.
Kinder krempeln alles um. Sie stellen alles in Frage ohne je zu fragen. Sie sind dann oft nur mehr Münder, die maßlos fordern und über das Leben der bisher so selbstverständlich eigenentschiedenen jungen Erwachsenen bestimmen.
Beiden Seiten müsste geholfen werden.

Junge Eltern brauchen ein soziales Netz, in dem sie als junge Familie aufgefangen und entlastet werden.
Junge Eltern brauchen Raum und Zeit für sich selbst und ihre junge Liebe.
Junge Väter sollen verständnisvoll erkennen, dass ihre Frauen eine neue Welt betreten, denn sie haben mit der Geburt alles zurückgelassen, was bisher gültig war.
Junge Frauen müssen keine Turbomütter sein, die ihre ganze Liebe über den kleinen Erdenbürger ergießen. Babys schlafen auch mal, und junge Mütter sollten nicht vergessen, dass sie auch junge Frauen sind mit einem Geliebten an ihrer Seite.
Junge Frauen brauchen Vertrauen in ihre Männer, damit diese die Chance bekommen, genauso fürsorglich reagieren und handeln zu können wie sie als junge Mütter.
Junge Väter brauchen Rückgrat, um sich zu „niederen“ Diensten herabzulassen und diese dadurch aufzuwerten.
Kinder brauchen Eltern, die zufrieden sind und sich mit der gegebenen Situation nicht nur abfinden, sondern sich am Leben mit Kindern als Gesamtes freuen.
Kinder brauchen liebevolle Zuwendung und zugleich Eltern, die wissen und verstehen, dass ihre Lieblinge Grenzen benötigen, damit sie starke Persönlichkeiten werden.
Kinder brauchen auch andere Kontaktpersonen, die sich mit ihnen in Liebe befassen.
Kinder brauchen Großmütter und Großväter (echte oder leihweise), Geschwister und/oder andere Kinder, damit sie von Anfang an erleben, dass ein soziales Netz trägt. 

Kinder sind die Zukunft, sie sind der größte Wert in einer Gesellschaft, deshalb muss ihnen diese alles angedeihen, was sie fördert, unterstützt, stärkt und gesund erhält.
Da Kinder Eltern brauchen, muss ihnen ermöglicht werden, dass sie die besten Voraussetzungen für ihre Kinder auch umsetzen können. 

Aber so ist es noch nicht.
Wie kann es sein, dass eine Gesellschaft vergisst, worauf es eigentlich ankommt?

Das sollte uns allen Zornestränen wert sein…

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